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Pastorskamp | Nottuln - BewässerungskonzeptWie lässt sich urbanes Grün besser vor den klimatischen Veränderungen in den Städten schützen? Ein Modellversuch in Nottuln soll Antworten auf diese Frage liefern. In einer dreijährigen Kooperation untersuchen Experten der FH Münster zusammen mit Humberg Baumschutz die Wirkung eines neuen Bewässerungskonzepts im Pastorskamp.
 
Der Hintergrund: Schwierige Voraussetzungen für Stadtgrün und Stadtklima

Bäume spielen eine zentrale Rolle, wenn es um die Verbesserung des städtischen Klimas geht. Gleichzeitig sind sie zunehmend von den klimatischen Veränderungen betroffen, die sich in den Städten vor allem durch den Hitzeinsel-Effekt bemerkbar machen.

Der Grund hierfür sind die Gebäudedichte und der hohe Anteil versiegelter Flächen. Sie wirken sich in verschiedener Weise aus:

  • In innerstädtischen Bereichen schränken die Gebäude häufig die Luftzirkulation ein, wodurch die Lufttemperatur deutlich höher als im Umland liegen kann. Die Unterschiede liegen mitunter bei bis zu 10°C.
  •  Gebäude und befestigte Bodenflächen strahlen außerdem vielfach zusätzliche Wärme ab und verstärken damit das Hitzeinsel-Phänomen.
  • Moderne Glasfronten reflektieren die Sonne und verbrennen gegebenenfalls das Blattwerk, sofern dder Abstand zwischen Gebäude und Bäumen nicht ausreichend ist.
  • Bei Starkregen gerät die dichte Bebauung ebenfalls unter Druck. Weil natürliche Versickerung im Erdboden zu selten möglich ist, entstehen bei starken Regenfällen schnell Überflutungen.

Diese Umstände sind auch für die städtischen Baumbestände problematisch: Oft sind die Bäume von befestigtem Boden umgeben, so dass nur wenig Wasser direkt an die Wurzeln gelangt. Das stört die gesunde Entwicklung, was vor allem während anhaltender Hitzeperioden kritisch ist. Den so wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas können die Bäume dadurch nur bedingt leisten.

Ein geeignetes Bewässerungskonzept könnte diese Probleme gleichermaßen lösen, indem es den Oberflächenabfluss von Regenwasser verbessert und dieses Wasser gleichzeitig dem Stadtgrün zuführt. In Nottuln wird deshalb im Pastorskamp ein innovatives Bewässerungsreservoir von Humberg Baumschutz getestet.

Die Ziele: Bessere Bewässerung für städtische Baumbestände

Vor diesem Hintergrund wurde an der FH Münster unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Helmut Grüning ein Projekt angestoßen, um Lösungen für die beschriebenen Probleme zu finden. Bei „BeGrüKlim“ geht es um die Entwicklung eines Bewässerungskonzeptes von urbanem Grün während klimatisch bedingter Trockenphasen. Um dieses Gesamtziel zu erreichen, formuliert das Projekt verschiedene Teilziele:

 

1

Unterstützung des natürlichen Wasserhaushalts

Der natürliche Wasserhaushalt in eng besiedelten Räumen soll durch bessere Möglichkeiten für Versickerung und Verdunstung unterstützt werden.

 

2

Weniger Überhitzung

In Bereichen mit dichter Bebauung soll die Überhitzung reduziert werden, um verbesserte Bedingungen für das Stadtgrün zu schaffen.

 

3

Automatisierte Bewässerung

Mit Hilfe eines automatisierten Bewässerungssystems sollen zwei Teilziele erreicht werden:

  • weniger Trockenstress für Stadtbäume während der Trockenphasen
  • geringerer Bewässerungsaufwand.

 

4

Weniger Überflutungsschäden

Das neue Bewässerungskonzept soll zugleich zusätzliche Retentionsräume in den bestehenden Entwässerungssystemen schaffen. Sie würden als temporärer Rückhalt von Oberflächenabflüssen fungieren und so Überflutungsschäden reduzieren.

Von dem Bewässerungssystem wird entsprechend viel verlangt. Als unterirdischer Regenspeicher dient es dazu, die Bewässerung des Stadtgrüns selbst während anhaltender Trockenphasen zu gewährleisten. Gleichzeitig ist es als Entlastung der vorhandenen Entwässerungssysteme gedacht, die bei Starkregenereignissen überlastet sind.

 

Die Lösung: Multifunktionales Wasserreservoir von Humberg Baumschutz

Mit dem Wasserreservoir ALVEUS hat Humberg Baumschutz ein innovatives und multifunktionales Konzept entwickelt, das den Anforderungen von „BeGrüKlim“ gerecht werden kann. In der Heimatstadt des Unternehmens kommt es seit 2020 unter wissenschaftlicher Beobachtung zum Einsatz.


An insgesamt drei Standorten in Nottuln war die Neupflanzung von Bäumen geplant. Nach den Folgen des Orkantiefs „Friederike“ waren in der Gemeinde im Pastorskamp alle Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt worden, 2018 gab es dann die ersten Vorschläge, wieder neue Stadtbäume zu pflanzen.

Für diese bot Humberg das Konzept des „Mini-Rückhaltebeckens“ an – in Zusammenarbeit mit dem Experten für Stadthydrologie Grüning die Grundlage für das laufende „BeGrüKlim“-Projekt.

Die Kommune verspricht sich vom Einsatz des Bewässerungssystems nicht nur Lösungen für die Probleme des Stadtgrüns während der heißen und trockenen Sommermonate. Das Konzept kann darüber hinaus zur Entlastung von Personal und Ressourcen beitragen, weil weniger Aufwand für das Bewässern der Bäume nötig ist.

Das patentierte Wasserreservoir wurde eigens für den urbanen Raum konzipiert und besteht aus drei Systembereichen.

Systembereich 1: Oberflächenrost mit Baum-Bewässerungssystem

Der obere Bereich erfüllt zwei Funktionen:

  • Zum einen dient der Oberflächenrost als Schutz für den Wurzelraum, damit dieser nicht verdichtet wird – so wie es bei allen Modellen der Humberg-Reihe von Unterflurbaumrosten der Fall ist. Der Oberflächenrost besteht aus zwei Teilen und kann daher problemlos nach der Baumpflanzung angebracht werden.
  • Zum anderen gehört zu diesem Systembereich das befüllbare Baum-Bewässerungssystem SIPA. Es kann bis zu 300 Liter fassen und ermöglicht eine sukzessive Versorgung eines Baums mit Wasser.

 

Systembereich 2: Bewässerungsspeicher

Unter dem Oberflächenrost liegt ein Bewässerungsspeicher, der weitere 400 Liter Wasser aufnehmen kann. Er lässt sich mit externen Anschlüssen von Dach- und Grundstücksflächen verbinden. Seine Aufgabe besteht in der Niederschlagsrückführung zur Baumbewässerung.

Der Bewässerungsspeicher kann außerdem mit Filterelementen ergänzt werden. Oberflächenabflüsse durchlaufen damit zunächst eine Vorbehandlung, bevor sie in den Speicher gelangen. Damit lässt sich eine stoffliche Belastung verhindern und die Gesundheit der Bäume kann sichergestellt werden.

Im Rahmen des „BeGrüKlim“-Projekts gehören regelmäßige Analysen von Wasser- und Bodenproben zu den begleitenden Maßnahmen, um die Wirksamkeit des Bewässerungssystems zu überprüfen.

Systembereich 3: Retentionsraum mit Grundwasseranreicherung

Der dritte Bereich umfasst:

  • Die belüftete Pflanzgrube, die mit perforierten Stützfüßen versehen ist. Zusammen mit dem Wurzelstern ist damit für einen optimalen Gasaustausch gesorgt, bis in eine Tiefe von 1,5 Metern.
  • Den Retentionsbehälter, der mit einem Fassungsvermögen von bis zu 2.400 Litern auch bei intensiven Niederschlägen ausreichende Kapazitäten bereitstellt. Versickerungsmöglichkeiten am Boden des Behälters helfen dabei, den Grundwasserspiegel anzureichern.
  •  Zu- und Abläufe, die sich individuell anpassen lassen. Sie dienen damit beispielsweise als Überlauf zur Kanalisation oder erlauben durch eine Verbindung mit anderen Baumstandorten einen Ausgleich der Wasserspeicher.

Das System misst 3 x 2 Meter, bei einer Tiefe von 1,5 Metern. Insgesamt kann es 3.100 Liter Wasser aufnehmen, durch den Einsatz von Unterflursubstrat kann die Speicherkapazität sogar auf 4.900 Liter erhöht werden.

 

Die Praxis: Einsatz und Analyse des Potenzials

Das Reservoir von Humberg ist mit einem Sensor ausgestattet. Dieser übermittelt den aktuellen Zustand am Baumstandort: Wie entwickelt sich der Wasserfüllstand? Wie feucht ist der Wurzelballen? Anhand dieser Informationen kann die Kommune ganz nach Bedarf wässern.

Im Rahmen des Forschungsprojekts lässt sich durch gleichzeitig gepflanzte Referenzbäume ein direkter Vergleich zur Effektivität des Bewässerungssystems ziehen. Diese Bäume verfügen über kein Reservoir für Regenwasser. Anhand der Entwicklung der Bäume können die Forscher der FH Rückschlüsse ziehen, ob und wie gut das Regenrückhaltebecken in trockenen Phasen hilft.

Die gesammelten Daten sollen außerdem dabei helfen, weitere Fragen zu beantworten:

  • Lassen sich die Systemabmessungen noch optimieren?
  • In welchem Umfang ist der Anschluss an die bestehenden Entwässerungssysteme möglich?
  • Wie entwickelt sich langfristig das Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Die Ergebnisse werden 2023 vorliegen. Bis dahin läuft das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geförderte Projekt noch.

 

 

Bilder:

Bild 1: Adobe Stock © sehbaer_nrw
alle übrigen Bilder: © Humberg GmbH